
Das Baader-Meinhof-Phänomen, auch als „Frequenzillusion“ bekannt, basiert darauf, wie selektiv unser Gehirn Informationen wahrnimmt. Dieses Phänomen beschreibt eine kognitive Verzerrung, bei der neue Informationen plötzlich als sehr verbreitet erscheinen.
Lassen Sie uns den Effekt in einfachen Worten erklären. Stellen Sie sich vor, Sie erfahren etwas Neues (einen Fakt, eine Filmhandlung, ein fremdsprachliches Wort usw.) und kurz darauf begegnen Ihnen diese Informationen überall. Sie hören es im Radio, es wird in einem Gespräch erwähnt, und sogar auf YouTube stoßen Sie auf ein Video dazu. Ist das möglich? Es scheint, als wäre diese Information weit verbreitet und würde häufig von anderen genutzt. Manche Menschen empfinden den Effekt noch simpler: Sie haben das Gefühl, dass die neue Information sie regelrecht verfolgt.
Tatsächlich nutzt die Frequenzillusion lediglich die Tatsache, dass unsere Aufmerksamkeit und Wahrnehmung selektiv sind. Natürlich gibt es Nachrichten, über die eine Zeit lang alle sprechen und die „aus jedem Lautsprecher“ zu hören sind (diese Fälle fallen nicht unter das Phänomen). Doch die durchschnittliche Häufigkeit, mit der eine bestimmte Information genutzt wird, bleibt unverändert – unabhängig davon, ob Sie persönlich davon wissen oder nicht. Uns jedoch kommt es anders vor. Warum ist das so?
Die logischste und verständlichste Erklärung für dieses Phänomen ist, dass unser Gehirn versucht herauszufinden, welche Informationen wir wirklich brauchen und welche wir ignorieren können. Auf diese Weise spart unser Gehirn Ressourcen. Täglich nehmen wir etwas Neues wahr, aber nicht alles muss sofort gespeichert werden. Unser Gehirn muss entscheiden, welche Teile dieses riesigen Informationsflusses wir in der Zukunft benötigen könnten.
Hier greift die folgende Logik: Wenn wir bestimmte Informationen häufiger begegnen als anderen, sind sie wahrscheinlich wichtiger als solche, die wir nur einmal hören. Die häufige Wiederholung neuer Informationen signalisiert uns, dass sie in der Zukunft nützlich sein könnten und daher nicht sofort aus dem Gedächtnis verdrängt werden sollten.
Unser Unterbewusstsein sucht ständig nach Mustern, Übereinstimmungen und Strukturen. Sobald diese gefunden werden, klammern wir uns daran fest und sagen uns selbst: Das ist wichtig und wird in der Zukunft gebraucht. Der Kern des Phänomens liegt darin, dass unser Gehirn den Wert bestimmter Informationen erhöht und uns dazu bringt, erneut darauf zu achten.
Das Baader-Meinhof-Phänomen erhielt seinen Namen Mitte der 90er Jahre, als in einer amerikanischen Zeitung die Geschichte eines Lesers veröffentlicht wurde. Der Artikel beschrieb ein seltsames Zusammentreffen: Ein Freund des Autors hörte innerhalb eines Tages zweimal aus unterschiedlichen Quellen von der ihm zuvor unbekannten deutschen Terrororganisation, deren Anführer Andreas Baader und Ulrike Meinhof waren.
Nach diesem Artikel erreichte die Redaktion eine Flut von Leserbriefen, in denen ähnliche Erlebnisse beschrieben wurden. Daraufhin etablierte sich der Begriff „Baader-Meinhof-Phänomen“ und wurde weit verbreitet verwendet.
Elf Jahre später prägte der Professor der Stanford-Universität Arnold Zwicky den Begriff „Frequenzillusion“ zur Beschreibung derselben kognitiven Verzerrung. Heute werden beide Begriffe gleichwertig und austauschbar verwendet.
Das Baader-Meinhof-Phänomen tritt in unserem Leben recht häufig auf. Ein einfaches Beispiel: Sie entscheiden sich, ein Auto einer bestimmten Marke zu kaufen. In der folgenden Zeit werden Sie dieses Modell praktisch überall sehen, wohin Sie auch gehen. Es scheint, als würde jeder genau dieses Auto fahren.
Ein weiteres Beispiel: Eine Frau möchte eine neue Handtasche kaufen und bemerkt sie plötzlich überall – auf der Straße, im Geschäft, in Zeitschriften. Wieder entsteht der Eindruck, dass diese Tasche sie verfolgt.
Noch ein Beispiel: Ihr Freund erzählt Ihnen von einem Dilemma, das ihn belastet, und am selben Abend stoßen Sie in einem Film, einem Buch oder einem Magazinartikel auf genau dieses Thema.
Ein weiteres Beispiel: Sie lesen ein Buch und bemerken es nun in den Händen anderer Menschen, Ihre Bekannten erwähnen es, und auf YouTube begegnen Ihnen Videos dazu.
Die Besonderheit dieser Illusion liegt darin, dass die zahlreichen Erwähnungen bestimmter Informationen und das gesteigerte Interesse an ihnen in der Gesellschaft nicht der Realität entsprechen. Einfach gesagt, diese Situation wird nur von der Person wahrgenommen, die unter dem Einfluss des Phänomens steht. Dabei sollte man nicht ausschließen, dass jemand tatsächlich auf dem Höhepunkt der Popularität oder zu Beginn eines Hypes von einer Information, einem Fakt oder einer Nachricht erfährt.
Laut Professor Zwicky wurde dieses Phänomen durch zwei Besonderheiten unseres Bewusstseins möglich:
Selektive (ausgewählte) Wahrnehmung bedeutet, dass unser Gehirn automatisch alles ausblendet, was uns uninteressant oder nutzlos erscheint, sobald wir unsere Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes richten. Nehmen wir zum Beispiel Fußball: Ihnen mag es vorkommen, dass der Schiedsrichter ständig gegen das Team pfeift, für das Sie halten, und gelbe Karten verteilt. Die Frequenzillusion führt dazu, dass Fans der gegnerischen Mannschaft dasselbe denken – nur über ihre Favoriten.
Dank der selektiven Wahrnehmung „sehen“ wir auch häufig dieselbe Uhrzeit oder stoßen auf bestimmte Zahlen.
Die Neigung, die eigene Meinung zu bestätigen (auch „Bestätigungsverzerrung“ genannt),erlaubt es uns, Ereignisse so zu interpretieren, wie es uns selbst nützt. Selbst prominente Wissenschaftler wurden dafür kritisiert, nur die Fakten zu bemerken, die ihnen passen, und Gegenargumente zu übersehen. Eine Person mit einer stark ausgeprägten Meinung zu einem Thema wird im Fernsehen, in der Presse und im Internet mehr Bestätigungen für ihre Ansicht sehen, da sie alternative Meinungen unterbewusst ausblendet.
Die Frequenzillusion tritt in verschiedenen Bereichen recht häufig auf. Am häufigsten wird sie von Werbefachleuten und Marketingspezialisten genutzt, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Sie ein bestimmtes Produkt kaufen. Wenn potenziellen Kunden über einen kurzen Zeitraum aus verschiedenen Quellen von einem Angebot oder einer Neuheit berichtet wird, denken sie, dass fast jeder darüber spricht. Das weckt gesteigertes Interesse beim Publikum.
Dieser Effekt hilft, Aufmerksamkeit auf ein Produkt zu lenken. Zum Beispiel beginnt ein Unternehmen, eine Marke (ein Produkt, eine Aktion usw.) durch verschiedene Methoden zu bewerben:
Infolgedessen denkt der potenzielle Käufer unterbewusst an das Produkt oder die Aktion. Das regt zum Kauf an.
In der Medizin zeigt sich dieser Effekt so: Ein Arzt hat kürzlich die Beschreibung einer bestimmten Krankheit studiert oder ist auf ein Beispiel gestoßen und wird in naher Zukunft dazu neigen, zusätzliche Tests und Verfahren anzuordnen, um genau diese Krankheit zu diagnostizieren. Dabei besteht die Gefahr, dass er gezielt seine Meinung bestätigen will und alternative Diagnosen ignoriert, was für den Patienten riskant sein kann.
In diesem Bereich wird das Phänomen häufig im Konzept des positiven Denkens eingesetzt, um Menschen bei der Bewältigung psychologischer Probleme zu helfen. Die Person konzentriert sich auf positive Aspekte ihres Lebens und zwingt das Gehirn bewusst dazu, auf Dinge zu achten, die Zufriedenheit und Ruhe bringen. Die Frequenzillusion ermöglicht es, solche positiven Verhaltens- und Denkmuster aufrechtzuerhalten.